Gewalt, ein unglaublicher Minister, Peinlichkeiten und Lügen?

                                                             Der Polizeieinsatz zum Ausbau der A 49    

 

Am 1. Oktober 2020 begannen die Rodungsarbeiten für den Weiterbau der A 49, ein Autobahnprojekt, das verkehrs- und umweltpolitisch sowie wasserrechtlich höchst umstritten ist und das von der Europäischen Kommission nur aufgrund falscher Informationen genehmigt wurde. Auch die Finanzierung mittels sogenannter Öffentlich-privater Partnerschaft wurde nicht transparent gemacht und widerspricht damit dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung.

 

Bis Anfang Dezember 2020 und darüber hinaus kamen täglich bis zu 2.000 Polizist*innen, eine gigantische Zahl an Polizeifahrzeugen sowie Wasserwerfer, Räumpanzer und Hubschrauber zum Einsatz – trotz Protests der evangelischen Kirche sogar an Feiertagen wie dem Totensonntag. Immer wieder kam es zu lebensgefährlichen Situationen, da die Polizeiaktionen gegen Aktivist*innen und die Rodungsarbeiten gleichzeitig in enger räumlicher Nähe stattfanden. Videoaufnahmen zeigen, wie Bäume in nur wenigen Metern Entfernung von Polizist*innen und Aktivist*innen gefällt werden. Wiederholt kam es zu Fällen schwerer Körperverletzung und zu Gewalttaten von Polizeikräften. 

 

Gewalt

Hier geht es zu weiteren Beispielen von Gewalt. 

Hier geht es zu Beispielen von mangelnder Umsichtigkeit.

 

Der Innenminister

Dies sind nur einige öffentlich bekannte Fälle von Gewalt und unangemessenem Verhalten der Polizeikräfte. Trotzdem lobte der hessische Innenminister den Einsatz der Polizei: Sie sei „mit großer Sorgfalt, Augenmaß und mit Konsequenz vorgegangen“ und habe mit einem „klugen, klaren und umsichtigen Einsatzkonzept diese große Herausforderung meistern“ können. Die Frage ist wohl nicht, ob er es nicht besser weiß. Er will es augenscheinlich nicht besser wissen, denn sein Name ist Beuth – Peter Beuth (CDU). In seine Amtszeit fällt nicht nur die gescheiterte Verhinderung des Attentats von Hanau mit neun Toten im Februar 2020 – Beuth musste hier einräumen, dass es Notrufprobleme bei der Polizei gab, von präventiven Maßnahmen gegen den rechtsextremen Täter ganz abgesehen. Zudem tauschten sich hessische Polizisten in rechtsextremen Chatgruppen aus und in hessischen Polizeiwachen wurden Daten abgefischt, die dann an Neonazis weitergegeben wurden. Peter Beuth – ein Mann, der sich als nächster hessischer Ministerpräsident empfehlen möchte!

 

Unsere Polizei

„Schützen wir die Polizei!“ (Georg Kreisler)

Auch von einigen Parteien konnte der Polizeieinsatz gar nicht schnell genug gelobt und gewürdigt werden (vgl. die dringlichen Entschließlungsanträge von CDU und Grüne und von der AfD.) Und tatsächlich sah sich die Polizei ja offenbar mit großen Herausforderungen konfrontiert:

  • Am 19.10.2020 musste ein Rettungshubschrauber gerufen werden, weil ein Polizist von einer Wespe gestochen worden war. 
  • Am zweiten Adventswochenende kamen Wasserwerfer zum Einsatz, weil Demonstrant*innen die Polizei mit Schneebällen bewarfen. 
  • Neben dem Vorwurf der sexuellen Belästigung fallen immer wieder Berichte darüber auf, dass sich Festgenommene entkleiden mussten, nicht nur Aktivist:innen, sondern auch Bürger:innen. Fehlt manchen Polizist*innen etwas? Oder ist Schikane ein probates Mittel gegen Klimaprotest?
  • Eine dreistellige Anzahl an Polizist:innen war am Freitag, dem 12.2.2021, im Maulbacher Forst im Einsatz, um 6 (!) Aktivist:innen zu räumen. Die Polizei hatte sich bereits am 10.02. bei einem Ortstermin ein Bild von der Lage gemacht und auch die geringe Zahl an Menschen festgestellt. Der Bund der Steuerzahler lehnte eine Stellungnahme ab, ob es sich hierbei nicht um einen Fall der Verschwendung von Steuergeldern handelt. 

Alles Lüge? 

In den offiziellen Mitteilungen der Polizei ist sehr viel von Gewalt seitens der Aktivist*innen – zweifellos gab es Steinwürfe, handelsübliche Pyrotechnik und Fäklienbewurf, alles Scheiße – und von Verletzungen der Polizist*innen die Rede. Angaben über die Schwere dieser Verletzungen fehlen aber durchgehend. Man darf folglich vermuten, dass es keine schwerverletzten Polizist*innen gab – was für die Aktivist*innen leider nicht gilt.

 

Doch man kann ja per Öffentlichkeitsarbeit (oder darf man es Propaganda nennen?) etwas nachhelfen. Mittels eines großangelegten Fahndungsaufrufs suchte die Polizei Mittelhessen einen Aktivisten wegen versuchten Totschlags. Er habe am 23.11.2020 das Halteseil eines Duopods durchtrennt, das daraufhin „beinahe“ auf Einsatzkräfte gefallen sei. Die für ihre Sachlichkeit und Ausgewogenheit bekannte „Bild“-Zeitung titelte daraufhin: „Versuchter Totschlag! Kripo jagt diesen Dannenröder Forst-Chaoten“ (7.12.2020; ) Weder die Polizei noch die „Bild“-Zeitung hielten es für nötig darauf hinzuweisen, dass ein neutraler kirchlicher Beobachter es ganz anders wahrgenommen hatte: Eine Baumaschine habe das Seil berührt und dadurch sei es gerissen. Aber wie schnell doch aus dem „Verdacht auf versuchten Totschlag“ ein versuchter Totschlag werden kann, wenn man es will.

Nach wie vielen anderen Personen wohl in den vergangenen Jahren in Hessen wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag überregional per spektakulärem Steckbrief gefahndet wurde?  Nanu – hier wurde doch nicht etwa absichtlich ein reiner Anfangsverdacht aufgebauscht? Oder kann es sein, dass die Strategie der sehr professionellen Public Relations über Wochen hinweg darin bestand, ein verzerrtes Bild der Ereignisse zu zeichnen? Doch nicht etwa, um die Polizei in einem besseren Licht dastehen zu lassen? Sollte sie das nötig haben, vielleicht weil der Einsatz doch nicht so „umsichtig“ war wie behauptet? Aber könnten wir dieser Polizei und dem für sie verantwortlichen Innenminister samt seinen Regierungskolleg*innen dann noch vertrauen? Wie auch immer –

 

Appell 

Herr Ministerpräsident Volker Bouffier, Herr Innenminister Peter Beuth: Übernehmen Sie die politische Verantwortung für die Polizeigewalt im Dannenröder Forst, entschuldigen Sie sich bei den Opfern! Dieser Appell richtet sich auch an die hessischen Minister*innen und Abgeordneten der Grünen, die perfide den Protest der Aktivist*innen begrüßten, zugleich aber den Einsatz von 2.000 Polizeikräften unterstützten! Wir sehen, wohin es geführt hat.