"Zwingende Gründe des öffentlichen Interesses"
Um durch ein europäisches Naturschutzgebiet (FFH-Habitat) bauen zu dürfen, bedarf es
"zwingender Gründe des öffentlichen Interesses". Diese wurden bei der Stellungnahme der Kommission angegeben mit:
Was an diesen Gründen alles nicht stimmt, ist weiter unten ausgeführt.
Vorher: ein erfolgloser Anlauf
2009 war ein Antrag bei der EU-Kommission nicht erfolgreich - daraufhin wurde der Text geändert - der Vergleich findet sich in der folgenden Datei - mitsamt den Quellen, die belegen, dass hier absichtlich die Wahrheit verschwiegen wurde. Hier geht es zu den Originaldokumenten.
Oder war ausschlaggebend eher, dass mit Günther Oettinger in der Zwischenzeit ein enger Freund des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier neues Mitglied der EU-Kommission geworden war?
Hier geht es zu den einzelnen Anträgen.
1) Die "neuen Arbeitsplätze"
Die Genehmigung der EU in 2010 beruht auf falschen Grundlagen - wie sie selber bestätigt:
Im Februar 2012 korrigiert die EU-Kommission ihre "zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses", die vorliegen müssen, damit die Zerstörung eines europäischen Naturschutzgebietes erlaubt wird: es werden nicht 13.600 neue Arbeitsplätze geschaffen. (Seite 2 der Quelle)
Dies führte allerdings nicht zu einer Rücknahme der Genehmigung. Im Gegenteil: Das Bundesverwaltungsgericht wies eine Klage in 2014 mit der Begründung ab, die EU habe die "zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses" bestätigt!
Und das, obwohl die hessische Landesregierung am 1.10.2013 bestätigte, dass die EU-Argumentation nicht den Tatsachen entspricht. (Antwort auf Frage 5)
Obwohl dem hessischen Verkehrsministerium die Fehler bekannt waren, informierte von dort niemand die EU!
Zwar schreibt der hessische Staatsminister Florian Rentsch am 1.10.2013 zu dem Hinweis, die EU habe seine Genehmigung auf die Schaffung von 13.600 neuen Arbeitsplätzen gestützt: "Das HMWVL hat ein eigenes Interesse daran, dass Stellungnahmen der EU-Kommission nicht auf Fehlannahmen beruhen", allerdings informierte er die EU erst, als das Ministerium wegen einer parlamentarischen Anfrage zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde. Warum die EU nicht direkt informiert wurde beantwortet er 4.12.13 auf Nachfrage wie folgt: "Der Hinweis zur Klarstellung bezüglich der Schaffung von Arbeitsplätzen durch die A 49 sollte im Zusammenhang mit der Mitteilung des Umfangs der Kohärenzmaßnahmen an die Europäische Kommission erfolgen. Diese Mitteilung kann erst erfolgen, wenn die Planung der Kohärenzmaßnahmen feststeht." (zu Frage 4)
Ist es nicht vielmehr richtig, dass die Kohärenzmaßnahmen entfallen, wenn klar ist, dass für den Ausbau keine zwingenden Gründe vorliegen?
2) Die Entlastung des nachrangigen Verkehrsnetzes
Die Zahl von 100.000 Fahrzeugen, um die das nachgeordnete Verkehrsnetz entlastet werden soll, wird in der obigen Berichtigung merkwürdigerweise nicht korrigiert. Dabei gehen selbst Befürworter der Autobahn nur von mehreren Tausend
Fahrzeugen aus. (vgl. ja49.de/gruende dort: unten mittig: Entlastung des nachgelagerten Verkehrsnetzes)
Unverständlicherweise weist die EU dennoch später eine Klage zu den "zwingenden Gründen" mit der Begründung ab, das Bundesverwaltungsgericht habe sie 2014 bestätigt.
Auch bei der Angabe der CO2 Einsparung wurde getrickst ...
.... es sich aus der Vorbemerkung zu einer Anfrage von 2013 ablesen lässt: "Im Projektdossier zur A 49 (HE 5601) wird auf Seite 2 "Emissionen" eine jährliche CO2-Einsparung von 7773,737 Tonnen durch Bau der A 49 angegeben. Dies entspricht einer täglichen CO2-Einsparung von 21,3 Tonnen. Gegenüber dem Zustand ohne Bau der A 49 bedeutet dies nach der Angabe auf derselben Seite des Projektdossiers eine Einsparung von 0,7 Promille. Auf Seite 34 des Stellungnahmeersuchens wird gegenüber der Europäischen Kommission eine etwa dreifach höhere CO2- Einsparung durch Bau der A 49 angegeben, nämlich rund 67 Tonnen pro Tag. Aber auch dies wären lediglich 2,2 Promille."
Die Antwort des Verkehrsminister auf die "Frage 1. Ist es richtig, dass nach den Berechnungen von Bund und Land die jährliche CO2- Einsparung durch den Bau der A 49 lediglich zwischen 0,7 und 2,2 Promille läge?" lautet: "Die der EU-Kommission mitgeteilte CO2-Reduktion von 67 Tonnen pro Tag bezieht sich auf den Vergleich des Vorhabens mit der derzeitigen verkehrlichen Situation im Raum auf Basis der für die A 49 erstellten Verkehrsprognose. Die Zahlen von 0,7 bzw. 2,2 Promille stammen nicht von der Hessischen Landesregierung. Daher kann keine Bewertung durch die Landesregierung erfolgen."
Auch die Bitte an das Verkehrsministerium, den Hessischen Landtag darüber zu "informieren, dass die der Europäischen Kommission in absoluten Zahlen mitgeteilte CO2-Reduktion durch einen Bau der A 49 lediglich einer Reduktion von 2 Promille entspricht?" wird nicht aufgenommen mit der Begründung: "Die Zahl von zwei Promille stammt nicht von der Landesregierung. Daher kann keine Bewertung bzw. Information durch die Landesregierung erfolgen."
3) Auch die Angaben zur Lärmminderung sind falsch, da die Lärmbelastung durch den Verkehr auf der Autobahn nicht berücksichtigt wird. (Vgl. die Ausführungen von Sven Giegold S. 2 auf Basis der Zusammenstellung von Reinhard Forst.)
4) Zugegebenermaßen irreführende Information bei der Reduzierung der Unfallwahrscheinlichkeit
So antwortet das hessische Verkehrsministerium auf den Vorwurf: "Bekanntlich hat die Bundesrepublik Deutschland bei der Unterrichtung der Europäischen Kommission in der sog. Tabelle 3 nur Orte (genannt: "ausgewählte" Ortsdurchfahrten) zusammengestellt, bei denen keine negative Folgen durch einen Bau der A 49 erwartet werden. Orte, bei denen eine zusätzliche Belastung durch einen Bau der A 49 erwartet wird (z.B. Treysa, Stadtallendorf, Speckswinkel), werden dagegen nicht erwähnt." (Frage 5) am 4.12.13: "Für die "ausgewählten" Ortsdurchfahrten wird dann eine Entlastung von Lärm, Schadstoffen und eine Senkung der Unfallwahrscheinlichkeit von 60 % konstatiert. Aus der Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 3. Dezember 2010 wird deutlich, dass sie durch diese eigenartige "Information" tatsächlich irregeführt wurde und annahm, es handele sich um eine generelle Aussage zu den Folgen eines Baus der A 49. So heißt es beispielsweise in ihrer Stellungnahme: "Zudem wird die Wahrscheinlichkeit von Unfällen um 60 % sinken."
... trotzdem "sieht die Landesregierung keine Notwendigkeit einer ergänzenden Information":
Wie das Ministerium trotzdem jede Verantwortung von sich weisen kann, ist schleierhaft: "Damit wurden der Europäischen Kommission umfassende Informationen erteilt. Weder wurde die Europäische Kommission irregeführt noch liegt ein Missverständnis vor. Aus diesem Grund sieht die Landesregierung keine Notwendigkeit einer ergänzenden Information an die Europäische Kommission." Vielmehr scheint es doch so, als ob sie kein Interesse an einer ergänzenden Information hatte!
Das alles bei einer angeblich rechtlich fundierten Planung?
Erstaunlicherweise hatte die CDU noch 2005 als Antrag gestellt, der Landtag wolle beschließen : "2. Der Landtag stellt fest, dass seit 1999 die Planungen unter Einhaltung der rechtlichen und fachlichen Richtlinien ordnungsgemäß auf den Weg gebracht worden sind. Hierzu gehören seit Beginn der Planungen unter anderem eine einwandfreie Prüfung unter naturschutzrechtlichen Gesichtspunkten und die Berücksichtigung möglicher Alternativen. 3. Der Landtag hebt hervor, dass einer möglichen Klage - wie sie beim Bau der A 44 erhoben wurde - eine rechtlich fundierte Planung gegenübersteht."
Das wirft viele Fragen auf!
Beschwerde bei der EU wegen ungerechtfertigter Zerstörung eines europäischen Naturschutzgebietes
Anfang Februar 2021 wurde die europäische Ombudsfrau Emily O'Reilly beauftragt, das Genehmigungsverfahren zu untersuchen. Hier geht es zur Beschwerde von Sven Giegold mit den zahlreichen Gründen für diese Beschwerde. Sie wurde inzwischen aufgrund von "Verjährung" abgewiesen.
Hier geht es zu den Mängeln bei den Ausgleichsmaßnahmen.