24. Juni 2024

A49 und Starkregenereignis:

Grund- und Trinkwasserschutz nicht sichergestellt

Das jüngste Starkregenereignis in Kirtorf (Vogelsbergkreis) zeigt, dass beim Ausbau der A49 der Schutz des Grund- und Trinkwassers nicht ausreichend sichergestellt ist. Denn zum einen sind die meisten der Regenrückhaltebecken, in denen das 

verunreinigte Wasser gesammelt wird, zu klein dimensioniert. Zum anderen sind  die Becken bisher überwiegend ohne Retentionsbodenfilter geplant. Besonders brisant ist: Zu klein sind vor allem die Becken in der Wasserschutzzone II, in der sich Trinkwasserbrunnen für die Förderung von Wasser für die Region und auch für den Export nach Frankfurt befinden.

 

Wasser wird in Retentionsbodenfilteranlagen um ca. 33 % besser gereinigt als in anderen Absetzanlagen.[1] Das Wasser aus der Entwässerung der Autobahn wird in der Wasserschutzzone II in vier Regenrückhaltebecken bei Niederklein gesammelt und innerhalb der für die Trinkwassergewinnung sensiblen Wasserschutzzone II in die Klein eingeleitet (Bild links) – entgegen der dringenden Eingabe des Zweckverbandes Mittelhessische Wasserwerke [2]. Dennoch 

ist den Unterlagen bisher keine Planung von Retentions-bodenfilteranlagen zu entnehmen. Dabei ist im Planfeststellungsbeschluss vorgegeben, dass  die Regenrückhaltebecken nach dem Stand der Technik zu errichten sind.[3]

 

Darüberhinaus sind die Regenrückhaltebecken zu klein dimensioniert: Am 1. Januar 2023 erlangten überarbeitete Starkregendaten Gültigkeit. Hier liegen die Werte teilweise um ca. 15 Prozent höher als zuvor.[4] Nach den Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums sind für die Berechnung der Regenrückhalteräume immer die aktuellsten Starkregendaten zu verwenden. Dies gilt auch für den Bau der A49, bei dem manche Becken bis heute nicht fertig gestellt sind (Foto rechts). Eine Anpassung an die aktuellen Daten ist in Zeiten des Klimawandels unumgänglich.

 

Auch ein klimabedingter Aufschlag wurde bisher nicht eingerechnet. Die Notwendigkeit eines solchen Aufschlags formulierte das Bundesverkehrsministerium bereits in 2022. Er soll abhängig von den regionalen klimatischen Entwicklungen bis zu 20 Prozent betragen. Da die Regenrückhaltebecken bei Niederklein in einem Gebiet mit einem hohen Starkregenrisiko liegen (vgl. die Aktuelle Hessische Starkregenkarte)ist ein solcher klimabedingter Aufschlag unbedingt einzurechnen.

Die Erlaubnis zum Betrieb der Autobahn wurde unter der Maßgabe erteilt, dass Regenrückhaltebecken in der Wasserschutzzone III maximal einmal in  100 Jahren überlaufen.[5] Denn die Wasserschutzzone II ist von den giftigen Schadstoffen wie Schwermetallen, PAK, Mineralölkohlenwasserstoffe und Cyaniden freizuhalten. Diese fallen beim Betrieb der A49 voraussichtlich im Umfang von ca. 1,5 kg pro Hektar an.[6]

Ein Überlaufen des Beckens am ehemaligen Jesus-Point bei Niederklein (Becken UJ) in der Wasserschutzzone II (Bild links) würde gravierende Auswirkungen auf den nur 200 Meter entfernten Förderbrunnen haben, da sich dieser in einem Überschwemmungsgebiet befindet (vgl. die Hessische Hochwasserkarte). 

 

Auch nach dem Wasserhaushaltsgesetz müssen die Becken in Niederklein vergrößert werden. Denn eine Einleiteerlaubnis für das Straßenoberflächenwasser darf nur dann erteilt werden, wenn keine schädliche Gewässerveränderungen zu erwarten sind (§12 Absatz 1 WHG). Trotz der Gefahren, die sich aus der Einleitung von Giftstoffen aus dem Straßenverkehr  innerhalb der Wasserschutzzone II an der Todenmühle ergeben, wurde die Einleiteerlaubnis erteilt. Sie ist damit begründet, dass nachgewiesen wurde, dass die Regenrückhaltebecken ausreichend dimensioniert sind.[7]

 

Damit ist es unumgänglich, die Dimensionierung der Becken an die neuen Starkregendaten und das hohe Starkregenrisiko im Bereich der Autobahntrasse anzupassen. Das Land Hessen hat die Bau-ARGE demzufolge umgehend anzuweisen, dass die Regenrückhaltebecken an die aktuellen Vorgaben angepasst werden. Alles andere ist eine mutwillige und fahrlässige Gefährdung von Trinkwasserbrunnen durch das Hessische Verkehrsministerium.

 


[1] Richtlinien zur Entwässerung von Straßen (REwS), S. 55.

[2] Dringende Eingabe des Zweckverbandes Mittelhessische Wasserwerke an die Planfeststellungsbehörde vom 21. September 2012.

[3] Planfeststellungsbeschluss, S. 11.

[4] Die neuen Starkregendaten KOSTRA-DWD-2020 sind unter https://www.openko.de/ einsehbar, ebenso auch die alten Daten KOSTRA-DWD-2010R. Die vier Becken in der Wasserschutzzone II liegen in den Datensätzen von 2010 im Rasterfeld 58027, in 2020 in den Rasterfeldern 144130 und 145130. Die Werte für das hier vorgeschriebene Wiederkehrintervall von 100 Jahren sind in den neuen Datensätzen teilweise über 15 % höher.

[5] Planfeststellungsbeschluss, S. 463f.

[6] Nach REwS, S.54, gilt das Straßenoberflächenwasser von Straßen mit mehr als 15.000 KFZ/d als „stark belastet“. Die mittlere Abtragsfracht beträgt jährlich 550 kg/ha, also täglich ca. 1,5 kg an Schadstoffen pro Hektar. 

[7] Planfeststellungsbeschluss, S. 463f.