Mangelhafte Konsequenzen

Dass in diesem gigantischen Bauprojekt nicht alles kontrolliert werden kann, ist klar. Was aber wütend macht, ist die immense Zahl an Missständen, die seit Baubeginn gemeldet, aber nicht weiterverfolgt wurde, sondern mit teilweise hanebüchenen Begründungen abgewiesen wurden.

14.3.24 Ungereinigte Ableitungen

Der Planfeststellungsbeschluss verlangt (S. 14): "Regenrückhaltebecken (sind) VOR dem Bau der Trasse zu errichten, damit das Oberflächengewässer während der Bauphase gefasst werden und gereinigt werden kann." Immer und immer wieder wurde das Regierungspräsidium auf die Ableitung von nicht gereinigtem Wasser aufmerksam gemacht, z. B. am Ohmtaldreieck in den Hirschbach. Hier schreibt die Bau-ARGE selber von "ungeklärten Einleitungen". Weiß sie selber nicht, was sie tut? Konsequenzen hatte das keine hinreichenden - es wurden Strohballen eingebracht und geduldet. (Foto: C. Endres)

15.3.24 Illegale Verlagerung von Erde von F 7 und F12

Bei den Untersuchungen zur Freimessung von Teilen des WASAG-Geländes im September 2021 wurde die Erde in 18 Felder von einer Fläche von 35x55 Metern eingeteilt. In zwei dieser Feldern wurden trotz der abgeschlossenen Sanierung Werte gemessen, die sowohl nach dem Untersuchungsbericht wie auch nach einer behördlichen Notiz die Entsorgung des Bodens notwendig machten. Eine solche Entsorgung hat nach Aussage des Regierungspräsidiums nicht stattgefunden. Stattdessen wurde der Boden für den Autobahnbau, teilweise sogar außerhalb des WASAG-Geländes verwendet. Konsequenzen hatte das bisher nicht. Rätselhaft ist dabei außerdem, dass überhaupt nicht erkennbar ist, dass es eine Abgrenzung dieser Felder gegeben hat. Das legt nahe, dass das Material entgegen der Aussage der Bau-ARGE zusammen mit dem übrigen Material außerhalb des WASAG-Geländes eingebracht wurde.

16.3.24 Mangelnde Untersuchung an der Artilleriestraße trotz Kontaminationsverdacht

Im Mai 2022 wurde wegen des Fundes von Hexyl ein Teilbaustopp verhängt. Laut Aussagen der Verantwortlichen stammt der Hexylfund aus der Erde unterhalb der aufgerissenen Artilleriestraße. Dazu heißt es bei Hit Radio FFH: 

"Schon in vergangenen Jahren wurden im Bereich Stadtallendorf die Böden auf gefährliche Hinterlassenschaften der Munitionsfabrik untersucht. Regierungspräsidiumssprecher Thorsten Haas zu FFH: "Es gab Rasteruntersuchungen und auch Bereinigungen." Der Bereich der Artilleriestraße in Stadtallendorf sei dabei bewusst ausgenommen worden. Man habe sonst die Straße sonst wie einen Schweizer Käse durchlöchern müssen ..." Keine Erklärung wird dazu abgegeben, warum mit dem Aufriss der Straße die Untersuchungen nicht nachgeholt wurden, obwohl dieses Gebiet in einer Studie ausdrücklich zu einer Fläche mit Untersuchungsbedarf gehört. 

17.3.24 Schreddern trotz Baustopp

Trotz Baustopp wurde am 12. Mai 2022 unmittelbar neben dem Haufwerk mit der kontaminierten Erde an der Artilleriestraße Steine und andere Materialien geschreddert - mit einer enormen Staubentwicklung von möglicherweise kontaminiertem Material. Schreddern am 13. Mai 2022 belegt die Hessenschau ca. ab Minute 1:10. Das Regierungspräsidium behauptete auf Nachfrage, der Bereich der Bauarbeiten sei nicht vom Baustopp betroffen gewesen. Allerdings sollte dieser ja für alles Material gelten, das bereits aus der Baugrube an der Artilleriestraße ausgegraben worden war - und damit auch für das Schreddermaterial. Dieses geschredderte Material enthielt alte Kanalrohre und Mauersteine, die getrennt hätten beprobt werden müssen. Konsequenzen hatte das alles bisher nicht. 

18.3.24 Völlig unzureichende Nachuntersuchung von Erde aus kontaminierter Baugrube

Aus der mit Hexyl kontaminierten Baugrube wurden 13.809 Kubikmeter Boden abgetragen. Laut einer Pressemitteilung zum Ende des Baustopps wurde der Erdaushub aus dieser Baugrube nachbeprobt. Dort heißt es: "Im Zuge des Rückbaus der Artilleriestraße wurde vor Bekanntwerden der vermuteten Hexyl-Belastung und Anordnung des Baustopps bereits Erdaushub in eine Dammschüttung im Trassenbereich der A 49 auf einer Gesamtfläche von etwa 12.000 Quadratmeter verbracht." Untersucht wurde aber statt der 12.000 Kubikmeter an verlagertem Boden (die Haufwerke umfassten ca. 1.500 Kubikmeter) lediglich 1.490 Kubikmeter. Das gibt das Regierungspräsidium im hessischen Landtag später zu, ohne dass dies Konsequenzen nach sich zog. Hier geht es zu Argumentationslücken in diesen und anderen Antworten zum Hexylfund.

19.3.24 Unzureichende Nachbeprobung

Nach vielfältigen Beschwerden an der Verlagerung von unbeprobter Erde aus dem WASAG-Gelände wurden verschiedene Nachuntersuchungen angeordnet. Diese untersuchten allerdings nur die Oberfläche der Aufschüttungen. Hier lag nur die zuletzt eingebrachte Erde aus den kaum kontaminierten tieferen Bereichen. Stattdessen hätte die oberste Bodenschicht des WASAG-Geländes beprobt werden müssen. Zudem war die Erde hier bereits monatelang Niederschlägen ausgesetzt. Damit waren mögliche Kontaminationen bei der Beprobung schon lange ausgewaschen. Diese Nachbeprobung war also weder repräsentativ noch aussagekräftig. 

Das Regierungspräsidium verlangte bei diesen Nachuntersuchungen ein Probe auf 2.000 Kubikmeter für den Einbau in der Wasseschutzzone III und eine Probe auf 500 Kubikmeter in der Wasserschutzzone II. Der Waldboden auf dem Parkplatz der Hessenkaserne wurde nur mit zwei Proben für laut Haufwerkskataster 12.000 Kubikmeter beprobt - obwohl das Holzmaterial als potenziell kontaminiert gilt. Und Boden zwischen Bauwerk 2 und 3, der für die Verlagerung in die Wasserschutzzone III freigemessen worden war, wurde in der Wasserschutzzone II eingebaut. Damit wäre der vierfache Beprobungsumfang notwendig gewesen. Auch das hatte bisher keine Konsequenzen. 

20.3. 24 Nachgewiesene TNT-Belastung  

In März 2023 wurde in einer Anstrommesstelle des WASAG-Geländes Sprengstoffbestandteile im Grundwasser nachgewiesen. D. h. hier wurde Gift im Wasser nachgewiesen BEVOR es das WASAG-Gelände durchfloß. Die einzige sinnvolle Erklärung dafür ist, dass Gifte aus dem Boden ausgespült wurden, der aus dem WASAG-Gelände nach Norden verlagert wurde (Foto: Aufschüttung nördlich des WASAG-Geländes, 12. Juni 2022). Auch die Meldung von einem TNT-Nachweis in der Joßklein im Herbst 2021 hatte keine Konsequenzen - außer einer einzelnen Nachbeprobung Monate später. Stattdessen hieß es, es könne keine Verbindung mit den Bauarbeiten hergestellt werden.