Woche 6: Mangelhafte Kontrolle

Ein so gigantisches Bauprojekt im Altlasten- und Wasserschutzgebiet braucht eine ordentliche Kontrolle. Die Begehungen von Mitarbeiter:innen des Regierungspräsidiums konnten allem Anschein nach zwar immer mal wieder Verbesserungen beim Wasser- und Bodenschutz erzielen. Allerdings bleiben dennoch unzählige Missstände, von denen nicht bekannt ist, ob sie nicht kontrolliert oder ob sie stillschweigend geduldet wurden. 

7.3.24 Mangelhafte Kontrolle der Einhaltung des Planfeststellungsbeschlusses

In den Ausführungen zum Schutzgut Wasser heißt es auf S. 118, dass "Schadstoffeinträge während der Baudurchführung ZU ERWARTEN sind. Durch die vorgesehene Fassung der Straßenoberflächenabflüsse entlang der gesamten Strecke, die Vorreinigung in Rückhaltebecken und die gedrosselte Abgabe in den jeweiligen Vorflutern werden Beeinträchtigungen des Grundwasserkörpers jedoch vermieden. Für die Einleitung der Straßenabwässer bedarf es - nicht nur, weil die Rückhaltebecken nur einen Teil der Schadstoffe zurückhalten - der Einleitegenehmigungen. Dennoch wurde an vielen nicht genehmigten Stellen (wie hier an der Gleentalbrücke) Wasser ohne Genehmigung eingeleitet. 


8.3.24 Mangelhafte Kontrolle der Baumaßnahmen und Rodungen

Der Kreisel in Niederklein wurde höher gelegt als planfestgestellt, damit wenigstens für einen Teil des Niederschlagswassers eine vergessene Ableitung erfolgen kann. Das die hierfür erforderliche Planänderung noch nicht genehmigt ist, hatte ebensowenig Konsequenzen wie der Umstand, dass für eine nicht planfestgestellte und noch nicht genehmigte Verlegung eines Zufahrtsweges am Regenrückhaltebecken am Schmitthof bereits etliche Bäume gefällt wurden. Und obwohl eine Planänderung für das Regenrückhaltebecken in Niederklein wenigstens beantragt war, baute die Bau-ARGE in Homberg ein weiteres Becken ohne Antrag. Die Planfeststellungsbehörde erfuhr erst über Anwohner:innen davon und stoppte den Bau. Das zeigt, dass die Kontrolle der Bautätigkeiten nicht hinreichend ist.

9.3.24 Mangelhafte Kontrolle der Bauausführung 

In 2021 noch schrieb die Planfeststellungsbehörde, auch ohne Genehmigung im Planfeststellungsbeschluss seien vereinzelte Felssprengungen möglich. Auf den Hinweis, dass eine Sprengungsanzeige der Bau-ARGE vorsieht, dass nicht vereinzelt, sondern auf einer Länge von über zwei Kilometern bis zu sieben Meter tief zu sprengen, antwortete die Planfeststellungsbehörde dagegen in 2022, die Bauausführung läge in der Hand der Bau-ARGE. Diese gravierende Änderung gegenüber dem Planfeststellungsbeschluss hatte also keine Konsequenzen, sondern wurde stillschweigend geduldet und sogar verteidigt.

10.3.24 Mangelhafte Kontrolle der Auflagen zur Sprengung zum Anwohner:innenschutz 

Für die Durchführung von Sprengungen gibt es verschiedene Auflagen, die zwingend einzuhalten sind. Dazu gehört eine Information der Anwohner:innen. Diese ist insbesondere deshalb notwendig, damit der Zustand von Immobilien dokumentiert werden kann, bevor durch die Sprengungen möglicherweise Schäden entstehen. Solche Schäden sind v. a. In dem von den Sprengungen betroffenen Gebiet in Maulbach nicht ausgeschlossen, wie ein Baugrundgutachten darlegt.

Die Stadt Homberg, der das Gutachten laut dem Auftraggeber vorliegt, behauptet, es läge ihnen nicht vor. Eine Kontrolle, ob diese Sprengarbeiten also gefahrlos durchgeführt werden können, hat demnach nicht stattgefunden. Und auch die mangelnde Information der Anwohner:innen hatte keine Konsequenzen: die Stadt Homberg sieht sich nicht zuständig.

Für den Schutz vor Unfällen bei Sprengungen gibt es zahlreiche Auflagen, die einzuhalten sind. Zum Beispiel ist der Sprengbereich abzusichern und vor der Sprengung sind akustische Warnsignale Vorschrift. Dass diese Vorschriften nicht eingehalten wurden, hat niemanden interessiert: neben der Stadt Homberg sah sich auch die Kreisverwaltung des Vogelsbergkreises nicht zuständig. Auch dass die Ansagen der Bau-ARGE zum Ende der Sprengungen nicht mit der Wahrheit übereinstimmten - tatsächlich wurde auch nach dem angesagten Ende noch weiter gesprengt - hat niemanden interessiert. 

11.3.24 Sprengprotokolle offenbaren fehlende Messungen und Überschreitungen der Messwerte

Auch die Messprotokolle der Sprengungen scheinen nicht kontrolliert worden zu sein. Denn zum Einen gibt es anscheinend fehlende Messungen, zum Anderen Überschreitungen der erlaubten Messwerte. Aber wer soll das auch kontrollieren? Denn auch das Regierungspräsidium in Gießen erklärte sich für die Sprengungen nicht verantwortlich.

12.3.24 Mangelnde Kontrolle der Einbaulisten 

Eine Einbauliste - also eine Liste, aus der hervorgeht, wieviel Boden aus welchen Bereichen in einem Bauwerk eingebaut wurde - ist eine explizite Nebenbestimmung für die Genehmigung der beantragten Planänderung am Kreisels bei Niederklein. Es gibt dennoch keine. Das impliziert, dass das Regierungspräsidium in Gießen entweder kein Interesse hat, Konsequenzen aus den zahlreichen Missständen bei der Erdverlagerung zu ziehen, oder aber die Anweisung hat, sie zu dulden.

13.3.24 Mangelnde Kontrolle der Kampfmittelräumung

Im Frühjahr 2021 war im Trassengelände südlich der Main-Weser-Bahn ein Kampfmittelräumdienst im Einsatz. Dieser untersuchte den Bereich außerhalb des WASAG-Geländes, da es mehr als wahrscheinlich ist, dass auch hier Kampfmittel vorhanden sind, die bei Unfällen oder Sprengungen an der hier gelegenen Schienen der WASAG- Bahn verloren gingen. Das Regierungspräsidium Gießen hat die Aufsicht über den Autobahnausbau, behauptete aber jüngst, Informationen zu der Kampfmittelräumung läge ihm nicht vor, da das Regierungspräsidium Darmstadt zuständig sei. Das ist zwar zutreffend. Die Kontrolle, ob die Ergebnisse Auswirkungen auf die Verwendung des Bodens haben, lag aber in der Verantwortung des den Autobahnbau begleitenden Regierungspräsidiums Gießen. Es scheint, als ob eine solche Überprüfung nicht stattgefunden hat.