Planungsänderung zur Beprobung des Erdaushubs

 

Das im Mai 2022 in der Nähe der Artilleriestraße gefundene Hexyl ist nicht das einzige noch im Trassenbereich der A 49 befindliche. Im Abschlussbericht zur Sanierung ist dokumentiert, dass noch weiteres Hexyl  vor Ort vorhanden ist.(1) Und dem jetzigen Hexylfund sehr ähnlich aussehende gelbe Klümpchen wurden bereits im April 2021 ca. 350 Meter südlich der Artilleriestraße im Trassenbereich an der ehemaligen WASAG-Bahn-Strecke gefunden, an einer Stelle, wo ein Janovsky-Schnelltest an mehreren Wurzelhölzern positiv auf Nitroaromate angeschlagen hat (vgl. die Fotos vom 25. April 2021 und Anmerkung 2).

 

Die DEGES beruft sich darauf, dass sie die Sanierung laut Sanierungsplan durchgeführt habe. Was sie dabei verschweigt, ist, dass der Sanierungsplan nur einen Teil der Trasse des WASAG-Geländes umfasst und dass innerhalb des Sanierungsbereiches nur die bekannten ehemaligen Gebäude und deren Umgebung saniert wurden. Dennoch wurde und wird Erde aus dem WASAG-Gelände verlagert, ohne dass durch Beprobung sichergestellt ist, dass die Erde keine Kontaminationen enthält.

 

Dieser skandalöse Umgang mit dem kontaminierten Boden innerhalb der Wasserschutzzone gründet auf der Missachtung der Stellungnahme der  Baustoff- und Bodenschutzprüfstelle Wetzlar vom 9.10.2006 zur Baumaßnahme der A49. Dort heißt es: „Der Erdabtrag aus dem WASAG-Gelände und andere augenscheinlich auffällige Bodenmaterialien … erfordern eine entsprechende Kontrollanalytik. Hierzu ist der Erdabtrag im TNT-Zwischenlager auf Halden bereitzustellen und abfalltechnisch zu untersuchen….Nach Vorliegen der abfalltechnischen Deklarationsanalytik kann dann über einen geeigneten Entsorgungspfad entschieden werden…“(3).  Anfang 2011 war es noch vorgesehen, diesen fast eine halbe Million Kubikmeter umfassenden Erdabtrag aus dem WASAG-Gelände auf die empfohlene Weise zwischenzulagern und zu untersuchen. (6) Im Planfeststellungsbeschluss 2012 wurde diese Empfehlung allerdings drastisch reduziert auf stichprobenartige Kontrollen nach jeweils 5.000 m³ „entsorgtem Boden“. (4) Das entspricht einer einzigen Beprobung je 347 dreiachsiger LKWs. Doch selbst diese lächerliche Bestimmung  scheint – obschon planfestgestellt – nicht umgesetzt worden zu sein. Das Regierungspräsidium jedenfalls hat bis April 2022 keine Protokolle dazu vorgelegt (5) und im Bodenmanagementkonzept der Bau-ARGE ist die Bestimmung nicht erwähnt.(6) Aber selbst umgesetzt, stellt diese  Bestimmung im Planfeststellungsbeschluss  ein unverantwortliches Risiko für das Trinkwasser für eine halbe Millionen Menschen dar. Damit hätte dieser nicht genehmigt werden dürfen und das Bundesverwaltungsgericht hätte die Verantwortung für die Einhaltung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie nicht der hessischen Landesregierung  übergeben dürfen. (7) Denn die Missachtung der Empfehlung der Bodenschutzprüfstelle zeigt, dass diese Richtlinie durch den Ausbau der A49 missachtet wird: eine Verschlechterung der Wasserqualität ist mehr als wahrscheinlich.

 

Es ist höchste Zeit, dass die hessische Landesregierung die wasserrechtlichen Erlaubnisse für den Trassenbereich entzieht, dem Erdmassen zugeführt wurde, bis sämtliches Bodenmaterial, dass das WASAG-Gelände verlassen hat, beprobt ist, wie es von der Landesregierung 2011 angekündigt wurde. Nach dem Hexylfund greift schließlich auch eine Bestimmung des Planfeststellungsbeschlusses, nach der eingrenzende Detailuntersuchungen einzuleiten sind, wenn im WASAG-Gelände „eine schädliche Bodenverunreinigung bestätigt“ wird, „mit dem Ziel, kleinräumige hot spots von der Gesamtbaufläche abzugrenzen“. (11)

 

 

(1)     Vgl. Anlage 1 zum Endbericht zur Sanierung vom 25.2.21. Dort sind z. B. für die Baugrube von Gebäude 3085 22,5 mg/kg  Hexyl und 19 mg/kg PAK dokumentiert. Dieser Boden durfte unsaniert zurückbleiben, da diese Werte unterhalb des vom Regierungspräsidium gerne zitierten Eingreifswertes zur Sanierung liegen. Allerdings liegen die Werte deutlich oberhalb der zulässigen Kontamination für einen Wiedereinbau des Bodens selbst innerhalb des WASAG-Geländes. Da die Trasse im Bereich dieser Baugrube um ca. sechs Meter tiefer gelegt wird, die Kontaminationen aber höchstens drei Meter unterhalb der ursprünglichen Geländeoberkante liegen, wird bei den Ausgrabungen weiteres Hexyl freigesetzt – ebenso wie Restkontaminationen aus anderen Baugruben. Die HUIG-Anfrage vom 12. April 2022 zur Übersendung dieser im Regierungspräsidium eingesehenen Unterlage wurde bisher nicht beantwortet.

(2)     Vgl. https://www.danni-lebt.de/un-recht/wasserschutz/wasag-beweisfotos/

Im Rahmen der Verlagerung der Erdmassen aus dem WASAG-Gelände ist anzunehmen, dass sich diese – mittlerweile weiter zerkleinerten – gelben kristallinen Verbindungen irgendwo anders auf der Trasse befinden.

(3)     Unterlage 13.1.1. zum Planfeststellungsbeschluss

(4)     Vgl. die Antwort auf Frage 4 in der  Drucksache 18/3694 des hessischen Landtags 

(5)     Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der A49 30.5.2012, S. 62.

(6)    Nach Erklärungen aus dem Regierungspräsidium muss Boden, der ausgehoben wird, abfallrechtlich bewertet werden. Seit letztem Herbst wurde im Regierungspräsidium in Gießen nach den Protokollen zu diesen Bodenmassen gefragt,  vorgelegt wurden keine. Auf eine HUIG –Anfrage von März 2022 zu den Beprobungen von Bodenmassen im WASAG-Gelände in 2021 teilte das Regierungspräsidium mit, dass in 2021 insgesamt  76 Proben durchgeführt wurden. Eine Einsichtnahme in die dazugehörigen Protokolle zeigte, dass alle diese Analysen in September 2021 durchgeführt wurden und keine Stichproben-Analysen sind. 16 dieser Proben stammen aus einer Dammaufschüttung. 60 Mischproben stammen aus dem Trassenbereich zwischen Bauwerk 2 und 3. DIeser war in 20 Felder eingeteilt worden. In diesen Feldern wurden jeweils drei Proben durchgeführt: einmal in einer Tiefe bis 1 Meter, einmal zwischen 1 und 2 Metern und einmal zwischen 2 und 3 Metern. In zwei der Feldern war der Kontaminationsgehalt so hoch, dass das Material weder außer- noch innerhalb des WASAG-Geländes wieder eingebaut werden darf. Entsorgt wurde es trotzdem nicht.

(7)    Vgl. das Bodenmanagementkonzept der Bau-ARGE vom 20.4.21. Dort wurde festgestellt, dass trotz erfolgreicher Sanierung noch relevante Schadstoffbelastungen vor Ort sind. Ein externer Fachgutachter soll die Separierung von auffälligen Materialien sicherstellen, die laut Konzept in Haufwerken bereitgestellt, abfalltechnisch untersucht und bewertet werden. Dem Konzept zufolge soll bei Auffälligkeiten zunächst die Bauleitung informiert werden, die in Abstimmung mit der Ansprechpartnerin Boden der Bau-Arge festlegt, ob der Verdacht auf schädliche Bodenveränderung besteht und damit das Bodenschutzrecht greift, die Bautätigkeit an dieser Stelle eingestellt und die Obere Bodenschutzbehörde beim Regierungspräsidium Gießen informiert wird. Es bleibt rätselhaft, warum das Regierungspräsidium erst von Anwohner:innen über die gelben Klümpchen und die auffälligen roten Verfärbungen in dem Haufwerk informiert wurde, das ganz sicher nicht (halbherzig) abgedeckt worden wäre, wenn es keinerlei Verdacht auf Kontaminationen gegeben hätte.   

(8)Vgl. Punkt 56 im Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.6.2020 

(9)Planfeststellungsbeschluss, S. 59, Nebenbestimmung 2. Dort heißt es außerdem, dass ein Sanierungsplan in ausreichendem Maß auch für die angrenzenden Außenbereiche zu erstellen ist.