Anzeigen nach dem Gesetz für Sicherheit und Ordnung

 

Gefahr für das Grundwasser und die Bauarbeiter wird ignoriert

 

Mitte August wurde beim hessischen Innenministerium und beim Landeskriminalamt eine weitere Anzeige nach dem Gesetz für Sicherheit und Ordnung wegen Gefahr für das Grundwasser sowie für die Bauarbeiter im Rahmen der Bauarbeiter auf der Baustelle der A 49 gestellt.

In der Anzeige heißt es: „Auf der Trasse sind im WASAG-Gelände in Stadtallendorf im Endbericht zur Sanierung vom 25.2.21 Restbelastungen dokumentiert,, die die Grenzwerte von sprengstofftypischen Verbindungen im Boden überschreiten, der innerhalb oder außerhalb des WASAG-Geländes wieder eingebaut werden darf.[1] Diese Baugruben befinden sich südlich der Scharnhorststraße. Die Trasse wurde in diesem Bereich in den letzten Tagen und Wochen ausgegraben (vgl. Bild), obwohl in den Baugruben nicht nur krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffen (PAK) dokumentiert sind, sondern auch das noch giftigere Hexyl.  

Wie allen Bauverantwortlichen bekannt ist, geht u. a. von den giftigen Stäuben des Hexyls für die Bauarbeiter eine erhebliche Gesundheitsgefahr aus. Dennoch wurde und wird die Erde verlagert, ohne dass Schutzmaßnahmen für die Bauarbeitenden ersichtlich waren und sind.

Daneben gefährdet die Verlagerung dieser Belastungen den Boden und durch Ausspülung mit Regenwasser langfristig das Grundwasser, aus dem sich die Trinkwasserversorgung von ca. 500.000 Menschen speist.

Trotz der Dokumentation der Restbelastungen war und ist keine Kennzeichnung dieser kontaminierten Baugruben ersichtlich und es wurde kein Material zur Beprobung oder Entsorgung in Haufwerken bereitgestellt, wie es das Bodenmanagementkonzept der Bau-ARGE fordert.

Bitte bestätigen Sie mir den Eingang dieser Anzeige und teilen Sie mir das Aktenzeichen mit, unter dem diese bei Ihnen bearbeitet wird.“

 

Wie im Mai wurde der Aktionsgemeinschaft auch diesmal weder eine Eingangsbestätigung noch ein Aktenzeichen mitgeteilt. Inzwischen liegt allerdings eine Antwort des Regierungspräsidiums vor, das einige Tage zuvor aufgefordert wurde, den Bau in diesem Bereich zu stoppen. Schließlich war in Karten genau eingezeichnet, wo Kontaminationen in welcher Höhe im WASAG-Gelände verblieben sind.

 

Nach §4, 2 des hessischen Bodenschutzgesetzes sind bei Hinweisen auf schadstoffbedingte schädliche Bodenveränderungen Maßnahmen zu unterlassen, die die Feststellung des Sachverhaltes behindern können. Obwohl dokumentiert ist, dass schadstoffhaltiger Boden in einer Wasserschutzzone abgelagert wurde, sieht das Regierungspräsidium allerdings keine Veranlassung, den Bau zu stoppen. Nach Auskunft der Wasserschutzbehörde haben die zuvor erlassenen Grenzwerte 

[2] keine Gültigkeit mehr, sondern stattdessen die weitaus großzügigeren „Zuordnungswerte“ Z2 des hessischen Baumerkblattes zur Entsorgung von Bauabfällen. In diesem Merkblatt ist aber ausgeführt, dass diese Z2 –Werte nur dann gelten, wenn sie [3] „den Anforderungen der Vorsorge des Bodenschutz- und des Wasserrechts entsprechen.“ [S. 4] Das ist bei der Verlagerung des kontaminierten Bodens nicht der Fall, denn das Wasserrecht – die Schutzgebietsverordnung von Stadtallendorf - verbietet „das Auffüllen der Erdoberfläche mit wassergefährdenden Stoffen“,[3] also von Material mit sprengstofftypischen Verbindungen.

 

Das ist nicht der einzige Gesetzesverstoß: Die vom Regierungspräsidium vorgelegten Werte beziehen sich auf bereits im letzten Jahr verlagerte Erde. Im April wurden diese Protokolle bei einer Einsichtnahme in sämtliche Analyseprotokolle aus dem Jahr 2021 nicht vorgelegt. Damit ist erwiesen, dass die Erde nicht vor der Verlagerung beprobt wurde, wie es das

 

Alle diese Gesetzesverstöße werden augenscheinlich vom Regierungspräsidium unter dem Regierungspräsidenten Dr. Christoph Ullrich geduldet. Dieser ist Vorsitzender des Vereins Mittehessen e.V., der sich seit Jahren für den Ausbau der A49 einsetzt. Der Ausbau der A 49 hat für die Verantwortlichen momentan anscheinend eine höhere Priorität als der Schutz des Grundwassers oder auch die Gesundheit der Bauarbeiter, die durch die Verlagerung von Hexyl ohne jede Sicherheitsmaßnahmen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Unklar ist dabei auch, ob kontaminierte Erde nicht auch außerhalb der Trasse im Landkreis verteilt wurde. Immerhin fallen beim Aushub des Trassenbereiches im WASAG-Gelände fast 400.000 Tonnen an Überschussmaterial an. Ungefähr ebensoviel Überschuss fällt beim Autobahnausbau außerhalb des WASAG-Geländes an! [5]

 

Es wird spannend, wie Gerichte die Verlagerung von unbeprobter Erde aus dem WASAG-Gelände und die Duldung strafrechtlich bewerten werden.

 


[1] Die Restbelastungen nach dem Ende der Sanierung und die Grenzwerte, dokumentiert im Bericht Boden Nr. 013221-02 vom 28.10.21 liegen der Aktionsgemeinschaft seit einer HUIG-Anfrage vor. Bei Interesse kann eine Freigabe durch das Regierungspräsidium erbeten werden.

[2] Dokumentiert im Bericht Boden Nr. 013221-02 vom 28.10.21 vgl. Anmerkung 1

[3] Verordnung zum Schutz der Trinkwassergewinnungsanlagen der Wasserwerke Wohratal und Stadtallendorf des Zweckverbandes Mittelhessische Wasserwerke, Landkreis Marburg- Biedenkopf, vom 2. November 1987 §5,18.  

[4] S. 12  Dieses Dokument liegt dem hessischen Baumerkblatt zugrunde (vgl. die Punkt 1.2. des Baumerkblattes

[5] Laut der Unterlage 13.1.1.S. 2 zum Planfeststellungsbeschluss fallen insgesamt ca. 800.000 Tonnen an Überschussmassen an, die „in mehreren regional gelegenen Abgrabungen verfüllt werden sollen.“