Missstände bei der Überwachung des Grundwassers 

In der dritten Woche des Danni-Skandalkalenders, in dem seit dem 1. Februar täglich Skandale rund um den Ausbau der A49 veröffentlicht werden, steht die Überwachung des Grundwassers im Fokus. Diese ist notwendig, da die gesamte Trasse der A49 (VKE 40) durch ein Wasserschutzgebiet verläuft [1] und da von den Arbeiten im Bereich des Rüstungsaltstandortes der WASAG in Stadtallendorf eine große Gefahr ausgeht. So heißt es im Sanierungsplan der DEGES: „Aufgrund der erheblichen Bodeneingriffe ist ein sanierungsbegleitendes Grundwassermonitoring erforderlich,“ da durch die lediglich stichprobenhafte Bodenerkundung nicht vollständig ausgeschlossen werden (kann), dass im Sanierungsgebiet ggf. Bodenkontaminationen verbleiben...“[2] Bei der Umsetzung dieser Überwachung des Wassers gibt es allerdings gravierende Mängel:

1) Keine Untersuchungen zur Grundwasserfließrichtung

Um die Auswirkungen von Bauarbeiten auf das Grundwasser überwachen zu können, sind genaue Kenntnisse zur Fließrichtung unabdingbar. Für das WASAG-Gelände wurden dazu allerdings keine Untersuchungen durchgeführt. Stattdessen wurden die Untersuchungsergebnisse aus dem benachbarten Altlastengebiet der Dynamit AG kopiert. So wurden die Fließverhältnisse des WASAG-Geländes in der Risikostudie zum Autobahnbau mithilfe einer manipulierten Grafik aus dem DAG-Gelände dargestellt. In der ursprünglichen Grafik kennzeichnet ein „?“, die Erkenntnisse zum  WASAG-Gelände – u. a. dieses wurde aus der Grafik entfernt. Damit entbehren sämtliche Beteuerungen zur Überwachung des Wassers einer nachvollziehbaren Grundlage. (Foto: Die Gesteinsmaserung quer zur Trasse zeigt an, dass Wasser nicht nur parallel zur Trasse fließt wie in den Plänen eingezeichnet.)

 

2) Keine Umsetzung der Vorgaben des Sanierungsplans

2010 waren zur Überwachung des WASAG-Geländes noch 29 Messstellen vorgesehen, 2013 war die Zahl auf sieben reduziert, die in drei verschiedenen Tiefen ausgebaut werden sollten [3]. Allerdings wurde nur eine einzige Messstelle dreifach ausgebaut. 2017 wurde im Sanierungsplan der DEGES dokumentiert, dass diese sieben  Mess-stellen das für den Ausbau der A49 sanierte Gelände nur unzureichend überwachen. Daher wurde dort festgelegt, dass drei weitere Messstellen neu mit in das Monitoring aufgenommen werden. Eine dieser Messstellen wurde bis heute nicht eingerichtet. Damit ist das Grundwassermonitoring lückenhaft und entspricht nicht den Vorgaben.

3) Missachtung von Vorgaben des Bescheids zum Sanierungsplans

 

In dem Bescheid zum Sanierungsplan verlangte das Regierungspräsidium 2018 in einer Nebenbestimmung, dass nicht mehr beprobbare Messstellen zu ersetzen sind, liegt doch eine der vorgesehenen Messstellen (B 336) im Bereich der Trasse (s. Foto).  Diese Messstelle wurde aber weder in Betrieb genommen noch ersetzt – mit folgenden zwei skurrilen Begründungen: 1) Die nahegelegene Messstelle A33 sei frei von Belastungen: nach dieser Logik wäre aber auch die Messstelle 12 A überflüssig, in der jüngst deutliche Kontaminationen gemessen wurden;[vi] denn die dort in anderen Tiefen befindlichen Messstellen 12 B und 12 C weisen keine erhöhten Werte auf. 2) Im Anstrom (also vor dem Durchfluß durch das WASAG-Gebiet) seien keine relevanten Schadstoffkonzentrationen nachgewiesen worden. Nach dieser Begründung kann ein Kaffee nicht nach Kaffee schmecken, wenn vor dem Durchfluß durch den Kaffeefilter kein Kaffeegeschmack nachgewiesen wird -was für eine Logik!

4) Keine Auskunft zu Messstellen 

 

Bürger:innen wollten überprüfen, ob es sich bei der Messstelle  auf dem Dreieck Artilleriestraße - Hauptmann-Matthes-Straße (direkt links neben dem Baum) um die neu eingerichtete Messstelle WAS 14 neu handelt. Unterlagen zu der Lage der Messstelle in Bezug auf die Höhe über dem Meeresspiegel stehen dem entgegen. Das Regierungspräsidium verweigert dazu eine Aussage, ebenso auch die Übersendung von Unterlagen, aus denen die Lage von Messstellen hervorgeht. Die Begründung, man wolle Sabotageakte vermeiden, ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Messstellen öffentlich zugänglich sind, nicht nachvollziehbar. Sie erweckt den Eindruck, dass es etwas zu verbergen gibt!

5) Keine Überwachung des Abstroms der Kläranlage

 

In verschiedenen Gutachten ist zu lesen, wie hoch kontaminiert und damit gefährlich der Bereich von Kläranlagen in Altlastengeländen ist [4]. In der Nähe der Trasse befindet sich an der Hauptmann-Matthes-Straße ein solches ehemaliges Klärbecken, das in alten Unterlagen fälschlicherweise als Wachhäuschen bezeichnet war. Dort fanden Anfang 2022 Arbeiten zur Verlegung von Leitungen unter der A49 Trasse statt, bei denen große Erdmassen an vermutlich hochkontaminierter Erde verlagert wurden. Rund um die Uhr wachte ein Sicherheitsdienst, dass niemand Unbefugtes den umzäunten Baustellenbereich betrat. Die potentiell giftige Erde wurde allerdings nicht beprobt. Dabei können im Zuge solcher Erdarbeiten Gifte "mobilisiert", also in Bewegung gesetzt werden. Damit können sie leichter als vorher über Regenwasser ausgewaschen und ins Grundwasser gespült werden. Allerdings gibt es keine Messstelle, die diese Belastungen aufspüren kann.

6) Keine Konsequenzen aus signifikanter Erhöhung der Messwerte

Seit Dezember 2021 zeigt sich, dass die Gefährdung des Wassers durch die Altlasten reell ist: in einer Messstelle  im WASAG-Gelände wurden seither gravierende Erhöhungen von sprengstofftypischen Giften nachgewiesen. Dabei wurde der sogenannte Geringfügigkeitsschwellenwert – also der Wert, von dem angenommen wird, dass sein Überschreiten eine Gefahr für die Gesundheit mit sich bringt -[5] um das bis zu 60fache (!) überschritten. Dennoch unternahm das Regierungspräsidium bisher nichts. 2018 hatte es vage formuliert:  „Sollten die Kontaminations-Werte in den Messstellen ansteigen, muss die Möglichkeit bestehen, durch Korrekturen bei den Sicherungsmaßnahmen dieser Entwicklung entgegenzuwirken und gegebenenfalls zusätzliche hydraulische Sicherungsmaßnahmen einzuleiten.“ [6] Nicht weniger vage ist die Aussage im Sanierungsplan. Dort heißt es, im Falle einer erhöhten Schadstoffbelastung im Grundwasser sei „ggf.“ eine standortumfassende hydraulische Sicherung einzurichten.[7] Dieses „gegebenenfalls“ lässt dabei allen Spielraum, die Maßnahme nicht durchzuführen, und zeigt, dass es bisher keine hydraulische Sicherung gibt, die den Schutz des Grundwassers sicherstellt – anders als von der Bundesregierung im August 2020 behauptet (S.2)! Man fragt sich: Wofür soll ein Grundwassermonitoring gut sein, wenn keine Konsequenzen aus den Messungen folgen, obwohl das Umweltbundesamt solche für zwingend notwendig hält?[8]

7) Gesundheitsamt Marburg interessiert sich nicht

Das Umweltbundesamt empfiehlt in Anbetracht der hohen Überschreitung des Geringfügigkeitsschwellenwertes das zuständige Gesundheitsamt zu informieren. Dieses bat allerdings darum, sich  „zuständigkeitshalber an das Referat 41.4 beim Regierungspräsidium Gießen" zu wenden.  Interessiert sich das Gesundheitsamt nicht für die Gefahr durch giftige Sprengstoffe, die in Stadtallendorf zu einer erhöhten Leukämierate geführt haben? Die zur Reinigung des Wassers verwendete Aktivkohle ist jedenfalls kein Allheilmittel, zumal bei der Behandlung hochgiftige Abbauprodukte entstehen können, die im Trinkwasser nicht gemessen werden und damit auch nicht nachgewiesen werden können.

 

Es wird höchste Zeit, dass das Grundwassermonitoring den neuen Erkenntnissen angepasst wird und dass Konsequenzen aus dem signifikanten Anstieg der Messwerte gezogen werden. Es kann und darf nicht sein, dass ein schneller Bau der Autobahn Vorrang hat vor dem Schutz des Grundwassers - die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung ist zu groß!

 

 


[1] Dennoch bleiben die Vorgaben zum Wasserschutz im Planfeststellungsbeschluss überwiegend vage. Zum Beispiel sollen meisten Messstellen nur einmal vor und einmal nach den Baumaßnahmen gemessen werden – dann erst wieder alle fünf Jahre. Und es ist nicht festgelegt, auf welche Stoffe das Wasser das Wasser beprobt werden soll. Sprengstofftypische Verbindungen waren dabei augenscheinlich nicht Bestandteil der „Nullmessungen“.

[3] So der Bescheid zum Grundwassermonitoring vom 2.8.13 Seite 9. Die Reduzierung erfolgte in Abstimmung zwischen dem Hessischen Baumanagement (als Bauauftragsverwaltung des Bundes) und dem Regierungspräsidium Gießen.

[4] U. a. in "Boden gut gemacht", S. 162. Dort ist dokumentiert, dass in Stadtallendorf unter einer ehemaligen Kläranlage Belastungen von 1775mg/kg gemessen wurden!

[6]Bescheid zur Bodenschutzrechtlichen Sanierung im Bereich der Trassenquerung der BAB 49 am Rüstungsaltstandort auf dem Bundesgelände Stadtallendorf (ehem. WASAG-Gebiet) vom 3.12.18 S. 23 f

[7] Anlage 8.1. zum Sanierungsplan S. 2 vom 1.11.2017 S. 3.. Die einzige weitere Konsequent, die dort bei erhöhten Schadstoffbelastungen im Grundwasser vorgeschlagen wird: „ggf. weitere Untersuchungen (z. B. Errichtung weiterer anstromig gelegener Grundwassermessstellen)“ . Rätselhaft bleibt, was diese bewirken soll, bedeutet doch anstromig, dass das Wasser vor dem Durchfluss des WASAG-Geländes untersucht wird. Auch in einer Anstrommessstelle hat es im Dezember 2021 den Nachweis von sprengstofftypischen Verbindungen gegeben.

Die einzige Erklärung dafür ist die Verlagerung von kontaminierter Erde auf den Hügel nördlich der K12 in Stadtallendorf. 

[8] Laut Auskunft aus dem Umweltbundesamt ist eine bis zu 17fache Überschreitung des Wertes für eine Dauer von bis zu drei Jahren tolerabel. Bei darüberhinausgehenden Werten sind Maßnahmen zu ergreifen.